Klimawandel

Chance zur globalen Transformation?

(Auszug aus meinem Buch: UMDENKEN)


Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Menschheit anfing, sich zu dem zu entwickeln, was sie heute ist, war die gesamte Welt mit ihren lebendigen Bewohnern in einem umweltverträglichen Gleichgewicht. Der Ursprung unserer ökologischen Krise begann mit dem Übergang vom Nomadentum zum sesshaften Leben, von der Symbiose mit der Natur zu ihrer Kontrolle, von der Gleichheit zwischen den Spezies zur Beherrschung durch den Menschen, um sie den Zielen des Menschen anzupassen. Die von Menschenhand geschaffene Landwirtschaft förderte materielle Besitztümer, deren Anhäufung zum Maßstab persönlicher Erfüllung wurde. Die noch nicht gebändigte Natur, die sich seiner Kontrolle entzieht, wurde als gefährliche „Wildnis“ gesehen, von der sich der Mensch bedroht fühlte. Große Denker wie der französische Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler René Descartes erklärten Lebewesen zu seelenlosen Automaten und den Menschen zum Herrscher über die Natur – mit Folgen. Dieser Traum von einer unterworfenen Naturwelt führte dazu, dass unsere Umwelt zerstört wurde und viele Arten ausgerottet wurden. Nüchtern betrachtet, hat die Entwicklung der sogenannten Zivilisation durch die rücksichtslose, Natur verachtende, verschwenderische und ausbeuterische Lebensweise der Menschen jeden Winkel unserer Erde erreicht. Bedenken wir, dass gerade die industrielle Massentierhaltung als Ressourcenlager unzumutbare Folgen für Mensch und Tier hat. Nicht nur die Tiere leiden, sondern auch die Artenvielfalt, das Grundwasser und unsere Gesundheit. Es gibt kaum noch größere naturbelassene und intakte Ökosysteme, wo der Mensch nicht in einer suchtartigen Abhängigkeit von Wachstum und Ausbeutung versucht, etwas für sich und seine unersättliche Gier herauszuholen. Gewinner ist lediglich die Großindustrie.

 

Mit der Philosophie des ewigen Wachstums propagieren wir eine Krebswirtschaft - und das weltweit. Kaum etwas prägt unsere moderne Gesellschaft mehr als der kollektive Wunsch nach immer mehr materiellem Reichtum und unendlichem Wachstum, das es jedoch niemals geben kann. Die einseitige Ausrichtung auf Profit und die unendliche Wachstumsspirale als Inbegriff für erfolgreiches menschliches Handeln gelingt immer weniger, weil es zugleich fordert, dafür die natürlichen Ressourcen und damit die Fundamente des Lebens weiter auszubeuten.

 

Schon in den 1970er-Jahren mahnte der Club of Rome in seinem Bericht zur Lage der Menschheit, dass die Grenzen des Wachstums erreicht sind: Werden Industrialisierung, Bevölkerungsentwicklung, Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffreserven und Zerstörung des Lebensraums weiter so exponentiell wachsen wie bisher, bricht das Wirtschaftssystem bis spätestens 2100 zusammen. Mittlerweile hat sich die Weltbevölkerung verdoppelt und der globale Konsum verzehnfacht, doch ein Wandel ist nicht in Sicht!

Seit 1970 hat sich unser Rohstoffverbrauch verdreifacht – und der Bedarf steigt mit der wachsenden Bevölkerungszunahme auf unserem Planeten weiter. Wir verbrauchen heute die Ressourcen der Erde eineinhalb Mal mit steigender Tendenz. Pandemie, Flutkatastrophe, Erderwärmung, Waldbrände, wir haben die Fähigkeit verloren, vorauszublicken und entsprechend vorzusorgen. Deshalb kann die Strategie für Umweltverträglichkeit auch nicht darin bestehen, nur ein bisschen weniger CO 2 hinauszublasen und sonst weiterzumachen wie bisher.

Regeneration und Nachhaltigkeit sind gefragt, nicht nur Reduktionismus! Während wir Möglichkeiten des Recycling nicht nutzen, steigt der Bedarf an Rohstoffen aller Art. Um die globale Erderwärmung zu stoppen, werden immer mehr Windräder, Solaranlagen und E-Autos gebaut. Was auf den ersten Blick gut klingt, verschlingt aber Rohstoffe ohne Ende, wie Kupfer, Eisen, Mangan, Selen, Molybdän, Lithium und Neodym – Metalle, für deren Herstellung zum Teil riesige Mengen an Wasser verbraucht werden, was aus ökologischer Sicht eine Katastrophe ist. In einem Offshore Windrad sollen in Zukunft 45 Tonnen Kupfer verbaut werden. Auch für moderne E-Autos benötigt man dreimal mehr Kupfer als bei herkömmlichen Modellen. Die Energiewende hat daher enorme Auswirkungen auf den Rohstoffmarkt. Der Bedarf für die Transformation wird sich vervielfachen oder sogar explodieren, was Handelskriege und für Deutschland allein bis zur Mitte dieses Jahrhunderts Kosten von bis zu 5 Billionen Euro zur Folge haben wird. Beziehen wir die fortschreitende Digitalisierung mit ins Kalkül, dann wird sich die Nachfrage nach gewissen Rohstoffen bis zum Achtzehnfachen steigern. Ein wenig Kosmetik hier, ein kleines Schräubchen dort, an dem gedreht wird, wird der Dringlichkeit einer drohenden Apokalypse nicht gerecht werden.

 

Unsere gegenwärtige Krise beruht auf jahrelang unterlassener notwendiger Maßnahmen wie auch auf Scheinheiligkeit im Umgang mit geopolitischen Herausforderungen, der Natur und uns selbst. Wir wissen, dass wir in einer Welt mit Klimawandel und Ressourcenknappheit leben werden. Wir wissen, dass sich die Weltbevölkerung bis 2200 verdoppeln wird, mit wachsendem Anspruch auf Wohlstand. Die Zukunft kommt schneller auf uns zu, als wir unsere Maßnahmen werden anpassen können. Und was tun wir? 

Unsere Verbundenheit mit der Erde ruft uns dazu auf, Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen und uns bewusst zu machen, dass unsere persönlichen Entscheidungen einen unvorhersehbaren Impuls auf das gesamte Gewebe des Lebens haben. Unser Erfolg hängt von unserer Ressourcenstrategie ab. Wir müssen das Bestmögliche anstreben. Es reicht nicht aus, nur das Machbare zu wollen und nur Dienst nach Vorschrift zu tun und uns auf faulen Kompromissen auszuruhen. Weiteres Abwarten wird immer mehr Kosten verursachen. Wenn wir weiterhin gut leben wollen, müssen wir darüber nachdenken, wie wir jetzt mit dem Klimawandel und unserer Ressourcenknappheit umgehen wollen - wenn wir denn wirklich wollen.

 

Wer für ein Problem verantwortlich ist, kann auch Abhilfe schaffen. Wir haben die Möglichkeit, die Welt zu verändern, indem wir uns in einer sinnvollen Weise einbringen. In jeder Gemeinschaft steht persönlicher Freiraum zur Verfügung. Jeder hat das Gestaltungspotenzial, seinen Teil beizutragen, wenn er sich dessen bewusst wird, was er als NOT-wendig erkannt hat. Zum Beispiel, indem wir möglichst ohne Auto leben, auf weniger Heizung und Kühlung achten usw.

Welche Investitionen werden wertvoller sein für eine Zukunft, die es uns erlaubt zu leben? Wir müssen jetzt unbürokratisch unsere Ressourcensicherheit erhöhen und attraktive Möglichkeiten des Recyclings ergreifen, wenn wir zum Beispiel mit Polymer-Beton aus recyceltem Müll CO² neutral bauen. Es gibt durchaus Auswege wie die „cradle to cradle“ Bewegung (frei übersetzt: vom Ursprung zum Ursprung), eine innovative zukunftsorientierte NGO. Es zirkulieren alle Rohstoffe in Kreisläufen und es gibt keinen Müll mehr! Die Wiederverwertung ist einfacher, als man denkt, vorausgesetzt man will es! Wir müssen auch und vor allem über Kooperationen mit rohstoffreichen Ländern und deren zum Teil autoritären Staatsformen nachdenken, um unsere Ressourcen abzusichern.

 

Die globalen Probleme gemeinsam zu lösen, ist heute eine Überlebensfrage. Es geht zu diesem Zeitpunkt um die Menschheit, und es geht hier um die Schöpfung. Wir haben diese Erde erhalten, auf der wir uns entwickeln konnten und durften. Wir haben sie bis heute nur benutzt, gnadenlos ausgebeutet, getreten, misshandelt und sind jetzt kurz davor, selbst im Staub zu liegen. Wie viel sind wir bereit zu tun, um die Apokalypse aufzuhalten? Schon aus egoistischen Gründen sollten wir an die Wiedergeburt glauben, damit wir bei unserem Wiederkommen einen lebenswerten und keinen verwüsteten Planeten vorfinden.

 

Es geht um nicht weniger als um das Fortbestehen der Menschheit. Die Erde hat keine Ethik. Die Erde kennt weder Gnade noch Schrecken noch Furcht noch sonst etwas. Die Erde selbst als Lebewesen ist ein evolutionäres System und sie ist an vielen Stellen so verwundet, dass sie beginnt, ihre Selbstheilungskräfte freizusetzen. Die Pole schmelzen nicht einfach so weg, es breitet sich nicht einfach mal so eine Pandemie aus, es wüten nicht irgendwo Feuer in einer Dynamik und Geschwindigkeit, die überhaupt nicht vorauszusehen war. Die Erde wird zwar immer weiter bestehen. Doch größere Klimaturbulenzen könnten schnell unsere Letzten sein, denn der Mensch wird bald nicht mehr auf ihr leben können, – sofern er sein Verhalten nicht radikal ändert. Die Selbstheilungskräfte der Erde richten sich gegen den Parasiten, der alles verursacht hat. Es ist die Erde als Lebewesen, das sich keinesfalls „rächt“, – auch wenn es manchmal so scheinen mag, sondern einfach als ein lebendiger Organismus mit einem gewissen Maß an Intelligenz, der auf die zerstörerische Behandlung durch den Menschen reagiert, was wir als Evolution kennen. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir Menschen als Parasiten das Gleichgewicht des Lebens so massiv gestört haben, dass das Aussterben unserer Art realistisch werden kann. Wir sind dabei, das Paradies, in das wir hineingeboren wurden, zu verlassen und die Brücken für eine Rückkehr zu zerstören.

 

Wir leben in einer gewaltigen Illusion, die schädliche Auswirkungen hat. Die Menschheit ist zur Schicksalsgemeinschaft geworden. Wir müssen den Finger auf ökologische Wunden legen und globale Zusammenhänge deutlich machen. Wenn sich flächendeckend blühende Ackerbaukulturen in der sogenannten Dritten Welt durch Krieg und Klimawandel in ausgetrocknete, unbewohnbare Landschaften verwandeln, heißt das für Teile der Weltbevölkerung Überlebenskampf und Armut. Unter diesen Bedingungen kann es in den heute noch armen Ländern keine ökonomische Entwicklung geben. Dadurch, dass die EU-Fischerei an der Westküste Afrikas inzwischen alles leer fischt, nimmt man den Fischern und Fischerinnen vor Ort die Lebensgrundlagen. Wenn man gleichzeitig noch das hochsubventionierte, billige Hühnerfleisch auf die Märkte Senegals und Gambias bringt, müssen die Bäuerinnen und Bauern, die mit ihren Hühnern ihre Familien ernähren wollen, ihre Läden schließen. Das hat mit sich gebracht, dass verzweifelte Gruppen von Männern in lebenswertere Gebiete wandern. Sie fliehen in ihrer Verzweiflung dorthin, wo sie auch ökonomische Perspektiven sehen. Zwar leisten die Vereinten Nationen hervorragende Arbeit bei der Bekämpfung von Epidemien oder bei der Koordination der Katastrophenhilfe und bei der Einhaltung der Menschrechte, dennoch prognostizieren sie bis zum Ende unseres Jahrhunderts mehr als 400 Millionen Klimaflüchtlinge. Die Zukunftshoffnungen der Menschen, die in den ärmeren Ländern leben, stehen den Existenzängsten der Menschen in den reichen Ländern gegenüber. Wenn wir die Folgen der Klimaerwärmung nicht ernst nehmen und konsequent stoppen, werden Millionen Klimaflüchtlinge auch nach Deutschland drängen. Es bleibt nur die Flucht in die ökonomisch reichen Länder, weil wir eine groteske Ungleichheit auf unserem Planeten haben.

Und wir schauen weg. Es wird weder über die menschenunwürdigen Lager gesprochen noch über die vielen Menschen, die jedes Jahr im zentralen Mittelmeer ertrinken. Stattdessen macht sich die Politik Gedanken über eine noch stringentere Abschottungspolitik. Die menschenverachtenden Zustände an den EU-Außengrenzen sind keine Naturkatastrophe, sondern Resultat des mangelnden politischen Willens! Die EU zieht es lieber vor, mit ihren Geldern menschenverachtende Systeme aufrechtzuerhalten, um Flüchtende um jeden Preis von Europa fernzuhalten. Mit dem Klimawandel, mit dem Hunger in der Welt, mit den Ursachen für Flucht - mit all dem wollen wir nichts zu tun haben. Wann wird uns klar, dass auch wir die Fluchtursache sind?

 

Wir ernten jetzt, was wir gesät haben: wir in den Industrieländern haben den Klimawandel verursacht, nicht die armen Länder! Mit dem Geist maximaler Ausbeutung, ewigen Wachstums und brutaler Gier und Dummheit führen wir einen Weltkrieg gegen die Natur. 25 Prozent der jährlichen Treibhausgas-Emissionen sind auf die Erzeugung von Lebensmitteln für unsere Wohlstandsgesellschaft zurückzuführen, – besonders auf Fleischprodukte. Wann wird uns bewusst, dass die Produktion einer Rindfleischsuppe zehnmal so viele Treibhausgase erzeugt wie die einer Gemüsesuppe? Wir zerstören unsere eigenen Lebensgrundlagen. Wir brauchen eine Öko-Spiritualität!

 

Die Technik allein wird uns nicht retten. Es geht auch nicht nur darum, nie mehr Fleisch zu essen oder nicht mehr zu rauchen, sondern es gilt, die Notwendigkeit einer permanenten Charakterformung einzusehen, um die Menschen zu einem Leben in hoher Selbstverantwortung zu erziehen. Der Einzelne kann sich nicht aus seiner Verantwortung stehlen, denn in unserer globalisierten Wirtschaft greift eines in das andere. Unser Kaufverhalten trägt unsolidarische, wenn nicht sogar asoziale Züge. Die mehr oder weniger wohlhabenden Menschen der Industrienationen „unterstützen“ mit ihrem Konsumverhalten gedankenlos menschenverachtende Arbeitsverhältnisse. In unseren Mobiltelefonen befinden sich Rohstoffe, die in Afrika unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen gewonnen werden. Damit wir preiswerte Handys kaufen können, herrschen in den afrikanischen Bergwerken Zustände, die durchaus als Sklaverei bezeichnet werden können. Paradoxerweise beklagen wir aber in unserem Selbstverständnis sofort eine Einschränkung der Freiheit, wenn es um eine Eindämmung des blinden Konsumierens geht, denn viele von uns profitieren in verschiedenen Situationen ihres Lebens davon. Mit vielen Produkten, die zum Leidwesen intakter Ökosysteme und notleidender Menschen aus der dritten Welt günstig hergestellt werden können, kompensieren wir unser Ego und unsere seelischen Defizite. Sie halten uns davon ab, die Notwendigkeit zu erkennen, unseren Lebenswillen auch anderem Leben zuzugestehen. Wir leben auf Kosten anderer. Nach dem Motto: Mir geht es eh gut, daher ist es mir egal, wie es anderen geht, kann Gleichgültigkeit zur großen Gefahr werden. Vor dem Fernsehapparat mit einem Glas Wein in der Hand zu sitzen und entsprechende Berichte zu sehen über das, was anderen irgendwo anders in der Welt geschieht, ist das eine. Ach, wie schrecklich! entfährt es uns vielleicht. Doch wann wird uns klar, dass unsere gedankenlose Art und Weise, wie wir leben und konsumieren zum Leid anderer beiträgt? Mit diesem „Selbstverständnis“ verwundert es nicht, dass in den allermeisten Ländern nicht auf die Selbstverantwortung der Menschen, sondern auf Verbote und Verordnungen, auf Polizeikontrolle und Bürokratie gesetzt werden muss.

 

Egal, ob es sich um wirtschaftliche, politische, ideologische oder digitale Spaltungen handelt, durch alle Bereiche unserer Gesellschaft ziehen sich viele trennende Gräben, die eher größer als kleiner werden. Die Lücken zu schließen, scheint im Wettlauf um Macht, Ansehen, Hab und Gut, in Kriegen und in der Zerstörung des Planeten schwer bis unmöglich zu sein. Und die Eingriffe in die Natur durch Großkonzerne schreiten immer weiter voran. Menschliches Eingreifen erhält schreckliche Rechtfertigung, weil es immer mehr Menschen innerhalb der Zivilgesellschaften gibt, die ihren Lebensstandard für sich „beanspruchen“ und unter dem Deckmantel der Selbstverwirklichung und Liberalisierung sogar noch weiter „verbessern“ wollen, was jedoch niemals im Einklang mit der Natur stehen kann!

 

Wir haben den Kontakt zur Realität verloren. Wir leiden unter dem, was die alten Griechen „Hybris“, die Maßlosigkeit nannten. Wir meinen nach Maßgabe unseres Wollens leben zu können und realisieren und respektieren nicht die Tatsache, dass wir im 21. Jahrhundert vor dem Hintergrund des Klimawandels als Menschheit nur dann überleben können, wenn wir endlich lernen, nach Maßgabe der lebendigen Natur zu leben. Und das heißt, dass vieles, was wir gerne hätten und gerne wollen, so nicht wird stattfinden können. Dies ist ein Punkt, den die Gesellschaften innerhalb der Zivilisation ausblenden und ignorieren. Wirklich verstehen, so verstehen, dass es uns ergreift, werden wir nur durch Schmerzen. Ist das die Lösung? Im Privaten funktioniert das oft, aber im Großen?

 

Das 21. Jahrhundert wird als große Umbruchphase in die Geschichte eingehen. In einer immer dynamischeren und komplexeren Welt seinen persönlichen Platz zufriedenstellend einzunehmen und mit teils gegensätzlichen Ansprüchen zurechtzukommen, ist zur stetig wechselnden Aufgabe geworden. Wie wird es gelingen, diese Herausforderung anzunehmen? Wir leben in einem neuen Zeitalter, in dem alles mit allem in komplexen Systemen verbunden ist. Die Welt ist nicht mehr eine unterschiedlicher Zeitepochen, sondern ein Nebeneinander von Kulturen, Lebensentwürfen, Orten im Nahen und Fernen, von unterschiedlichen Wirklichkeitsebenen, virtuellen oder realen, eine Welt, die sich schon in unserer Wahrnehmung und unserem Handeln ständig verändert. Sie ist nahezu unvorhersehbar. 

In Bezug auf unsere Demokratie, Menschenrechte, Gewaltenteilung, Rechtsstaat, Multikulturalität wird sich diese nach festen Berufen, Funktionen und Ständen gegliederte Gesellschaft nicht fortsetzen lassen. Wie in kaum einer Epoche zuvor verändert sie sich in einem rasanten Tempo – und mit ihr die Gesellschaften und deren Zusammensetzung aus immer wieder sich verändernden Gruppierungen, die nach Eigenständigkeit und Anerkennung streben. Durch die Entgrenzung von Raum und Zeit in unserer digitalen Welt hat unser Handeln globale Auswirkungen auf Gesellschaften, deren Folgen wir Schlag auf Schlag zu spüren bekommen. Das erfordert schnelle Entscheidungen, zu denen wir in unserer erlernten Hilflosigkeit nur begrenzt in der Lage sind. Die Ursachen unseres Wirkens kommen immer schneller über uns und lassen die Sicherheit versiegen. Der Mensch der Moderne befindet sich in einem fatalen Zustand: Ob Partner, Geld, Hab und Gut - es gibt nichts mehr, woran er sich halten kann. In der Maschinenwelt der Technik wird er selbst zur Massenware, die sich verliert. Der Mensch kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass allgemeine und höherstehende Grundsätze sein Dasein bestimmen und lenken. Ideen, Religionen und Ideologien verwirren ihn eher, als dass sie ihm einen Halt bieten könnten. Das Vertrauen in die Prinzipien der traditionellen westlichen „Wertegesellschaft“ steht vor dem Zusammenbruch. Kein Wunder, dass die Menschen in erschreckend hoher Zahl für ideologisches Gedankengut empfänglich sind. Die Zunahme technologischer Entwicklung, die mit der Abnahme des menschlichen Verantwortungsbewusstseins einhergeht, sowie die Vereinzelung und zugleich Vermassung des Individuums und der großen psychischen Not, die überall herrscht, sind deutliche Anzeichen auf einen dringend notwendigen Bewusstseinswandel.

 

Dass wir momentan in einer Zeit des Bewusstseinswandels leben, wird inzwischen von vielen Menschen gesehen. Bei genauem Hinsehen hat er bereits längst begonnen. Allein die großen globalen Probleme wie beispielsweise die Klimaturbulenzen, die in immer kürzeren Abständen auftretenden Epidemien und Pandemien, die Ausrottung der Arten durch toxische Belastungen von Luft, Wasser und Erde machen die Vergänglichkeit menschlichen Lebens und die absolute Dringlichkeit eines notwendigen Wandels deutlich. Die Chaos- und Zerstörungsprozesse durch Begehrlichkeit und Wachstumsirrsinn in der Welt nehmen ungebremst zu und reißen unüberwindbar scheinende Gräben zwischen Völkern und Kulturen in Richtung Selbstzerstörung.

 

Warum kommen wir mit den Problemen in dieser Welt nicht zurecht?
Es ist keine Frage, dass die Menschheit Potenziale zur Selbstzerstörung hat. Unser Verlangen nach mehr lässt uns Grenzen überschreiten. Unser krankes Weltbild lässt uns glauben, dass auf einem begrenzten Planeten unbeschränktes Wachstum möglich wäre. Wissentlich werden im Wachstumsrausch unsere ökologischen Grenzen ignoriert. Kontinuierlich abgelenkt von unserem selbst gebastelten vermeintlich alternativlosen Weltbild, wollen wir überhaupt nicht in Betracht ziehen, dass unser Lebensstil für unser Verhalten verantwortlich sein könnte.

Es ist unsere Aufgabe, dass wir uns gegen diese Fehlentwicklungen im wirtschaftlichen und ökologischen Bereich stemmen müssen. Hinter unserer scheinbar geordneten Welt wartet eine durch Gier vergewaltigte Natur auf Wiedergutmachung. Wir sollten die Lösung nicht zum wiederholten Mal nur im Denken, sondern im Kontakt mit der Natur suchen! Wir müssen lernen, das Maß zu wahren und unsere Unwissenheit akzeptieren. Ohne in Demut und Dankbarkeit die Gesetze der Natur zu respektieren, werden wir die Frage nicht beantworten können, wozu wir hier auf diesem Planeten sind. Wir müssen uns als Menschen wieder selbst entdecken, um unseren Lebenssinn zu finden. Unsere Krisen bieten die Chance für geistiges Wachstum. Wirtschaftlicher Wohlstand ohne geistige Entwicklung des Menschen wird in Zukunft nicht möglich sein!Die anstehende Transformation erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise - einen „bewusstseinsbasierten Systemwandel“!


 

Wenn wir Leben und Handeln als etwas Ambivalentes sich ständig Veränderndes verstehen und damit als Herausforderung, uns immer wieder neu zu entscheiden, dann heißt das auch, möglicherweise fehlerhaft zu handeln. Dafür müssen wir die Verantwortung übernehmen, um daraus zu lernen und Konsequenzen zu ziehen: Die Entkopplung zwischen dem, was wir denken und dem, was wir tun, ist das Grundproblem. Diese Ambivalenz hat fatale Folgen. Wir produzieren Ergebnisse, die keiner will, weil wir durch das Führungsversagen der Systeme in Wirtschaft und Politik nicht in Kontakt mit der Wirklichkeit sind. Keiner will unsere Lebensgrundlagen zerstören, doch genau das tun wir: Wir geben an, mehr für die Umwelt tun zu wollen, gleichzeitig fahren wir unbekümmert mit unseren 2,5 Tonnen schweren SUVs Kampfwagen gegen das Weltklima zum Shopping. Besitzern geht es eher um die Vergrößerung ihres Egos als um Mobilität. Wir handeln wider besseres Wissen. Wir können den Zusammenhang zwischen unserem Denken und unserem Tun nicht wahrnehmen. Und dabei bräuchte es gar nicht so viel: Demut, Empathie, Rücksicht und Bescheidenheit könnte die Haltung ausmachen, mit der ein Wandel gelingen könnte und trotzdem ginge es uns noch gut. SUVs, Kreuzfahrten, Tropenholzmöbel und Billigfleisch gehören bestimmt nicht dazu.

 

Wir haben den Bezug zur Realität verloren. Wir haben eine Kultur erschaffen, die nur um die Gegenwart kreist. Wir bewerten Situationen auf Basis eingefahrener Muster und Denkweisen rein subjektiv. Wir wissen um die weltweiten Katastrophen, doch es wird fast nichts dagegen unternommen. Alles wird von unmittelbaren kurzfristigen Erfordernissen diktiert, obwohl wir in einer Wissensgesellschaft leben, die uns eindeutig die Konsequenzen unseres Handelns zeigt. Wir haben viele Innovationen auf den verschiedensten Ebenen, aber keine systemische Erneuerung als Ganzes. Wir haben das Wissen für Lösungen, aber wir kommen nicht ins Handeln! Dafür fehlen uns die Institutionen, um die Prozesse in Gang zu bringen. Greta Thunberg („Fridays for Future“): „Wir leben in einer organisierten globalen Verantwortungslosigkeit!“ 

Mit unseren höchst schädlichen Weltbildern lässt sich so lange „erfolgreich“ leben, bis die Dinge in unserem Leben durcheinandergeraten und wir ein-sichtig zur objektiven Erkenntnis unseres Tuns gelangen. Wir dürfen uns nicht mehr durch gewohnte Strategien ablenken lassen, wegschauen und hoffen, dass sie schon wieder verschwinden werden. Das werden sie nicht! Wir müssen Widersprüche realisieren und handeln.

 

Ambivalenzen sind wie Sand im Getriebe einer auf Tempo, Effizienz und Optimierung bedachten Wohlstandsgesellschaft. Wer einmal in einer Ambivalenz gefangen ist, findet nicht so schnell heraus. Ambivalent zu sein bedeutet kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Wir haben oft gute Gründe für das eine, und wir haben gute Gründe für das andere. Wir wissen, was zu tun ist, tun es aber nicht. Wir wählen irgendeine der beiden Alternativen und versuchen mit den Konsequenzen zu leben: Einer der Hauptschlüssel für die Beantwortung der Klimafrage ist die Umstellung von der industriellen auf eine regenerative Landwirtschaft. Doch was tun wir? Mit 1 Billion Dollar pro Jahr wird die falsche Landwirtschaft gefördert! Wir alle wissen, wir müssen von der fossilen zur regenerativen Energie. Was tun wir? Wir bezuschussen die Förderung der fossilen Energieträger mit 5 Billionen Dollar pro Jahr. Obwohl wir wissen, dass es im Zuge der Klimakrise vermehrt zu schweren Stürmen, Hitzewellen oder Flutkatastrophen kommen kann, verschärfen wir durch die fortschreitende Versiegelung von Böden und eine falsche Forstwirtschaft die Probleme. Haben wir den Verstand verloren?
Arthur Schopenhauer: "Im Allgemeinen haben die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und die Toren, d. h. die unermessliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe, nämlich das Gegenteil getan und so wird es denn auch ferner bleiben.“

 

Wie wird es gelingen, diese Herausforderung anzunehmen?...

Wenn Du interessiert bist, dann schicke mir eine Nachricht: